Tarot zählt zu den
geheimen Wissenschaften, die früher in erlesenen, geheimnisvollen Zirkeln
zelebriert und deren Geheimnisse nur unter zum Teil abenteuerlichen Riten
weitergegeben und gelehrt wurden. Die Botschaften des Orakels spiegeln die Fäden
wieder, die sich wie vielfältige Querverbindungen des archetypischen Lebenswegs
des Menschen durch das Leben schlängeln; zu ergründen in der Gralslegende, in
der Grundstruktur von Mythen und Märchen oder im alchemistischen Werk der
Wandlung. So können die Karten in einer faszinierenden Art und Weise
grundlegende Zusammenhänge im Leben erklären. Sie verknüpfen Dinge, die im
Äußeren wohl kaum etwas miteinander zu tun haben scheinen und erweisen sich
damit immer wieder als wertvolle Orientierungshilfe in allen wichtigen
Lebensfragen.
In großen und kleinen Geheimnissen (Arkana), erhalten wir durch Tarot einen
Schlüssel zum Wissen aus alter Zeit, dem Wissen um das eigentliche Wesen des
Menschen, seine Lebensaufgabe und seinen sogenannten Schicksalsweg. In bild- und
symbolhafter Sprache beantworten die Karten durch „zu-fallende“ Konstellationen
eine zuvor gestellte sinn-volle Frage. Um das Vokabular dieser Sprache zu
erlernen, ist es hilfreich, die Bilder von Mythen und Märchen zu studieren, aber
auch Symbolsprachen, wie sie etwa in der Alchimie oder in der Zahlenmystik
überliefert sind. Diese Art des Orakelns beruht auf der uralten Überzeugung, daß
der Zufall nicht blind ist, sondern im Gegenteil sehr bedeutsam. Es ist
praktisch ein göttliches oder wie immer geartetes Geschenk des Wissens, das
einem zu-fällt. Damit ist es etwas einzigartiges, das durch die Wiederholung
seinen Wert verliert und die Aussage völlig verwässert. Diese Unmöglichkeit der
lebenslangen Wiederholung macht es für die sogenannte, selbsternannte wahre
Wissenschaft zu einer unseriösen Lotterie . Durch die tägliche Praxis – oder
besser, meine Realität – bestärkt, kann ich wunderbar damit leben, denn es ist
Teil meiner Wahrheit.
Tarot spricht eine Sprache, die sich nicht durch Buchstaben und Worte, sondern
in Bildern und Symbolen ausdrückt, der Sprache des Inneren Kindes. Genau
genommen ist es damit die Sprache der Seele, in der das Unbewußte bildhaft zu
uns spricht, das Unbewußte an die bewußte Oberfläche kommt, so, wie wir es
nachts in unseren Träumen erleben. Die Botschaft ist eigentlich ganz einfach,
und daher so kompliziert: Ein Mensch, der sein Herz sprechen hört, braucht nicht
wirklich ein Orakel.
Obwohl Orakel – wie auch die Astrologie, übrigens die älteste Wissenschaft der
Menschheit – bis heute oft mit Hokuspokus und billiger Jahrmarkts- Wahrsagerei
gleichgesetzt werden, hat schon im 5. vorchristlichen Jahrhundert der Philosoph
Thales von Milet ihr eigentliches Wesen deutlich gemacht. Auf seine Veranlassung
hin wurde damals am Tempel von Delphi – der bedeutendsten Orakelstätte der
Antike – die berühmte Inschrift angebracht:
Erkenne dich selbst!
Hierin liegt auch die eigentliche Bedeutung des Tarot. Nicht, dass man die
Karten nicht auch zu Alltagsthemen, oder einfach in spielerischer Weise befragen
dürfte, wichtig ist jedoch zu beachten, dass die Legung nur so viel Kraft und
Energie hat, wie man in die Frage hineingibt.
Letztlich gibt es ohne eigene Selbsterkenntnis auch kein wirkliches Verständnis
von dem, was uns erwartet und damit von dem, was uns die Karten sagen wollen,
denn schließlich geht es „nur“ und ausschließlich um uns selbst. Auch ist es
wichtig, das man für sich im Vorhinein klärt, ob man die Antwort wirklich
zulassen kann. Nichts erwarten, damit alles passieren kann, so lautet wohl ein
Motto der Tarot-Legung, und damit des Lebens, denn Tarot ist „nur“ ein
Spiegelbild .